Postexpositionsprophylaxe (PEP)

1. Hepatitis B – Virus (HBV)

Blutkontakt mit geringsten Mengen an HBV reicht aus, um eine Person zu infizieren. Es gibt aber einen sehr gut verträglichen und sicheren Impfstoff, so dass eine Impfung aller Personen mit einem auch nur geringen Infektionsrisiko (z.B. im Medizinischen Bereich) unbedingt gerechtfertigt ist. Seit 1995 ist die Hepatitis-B-Impfung in den Impfkalender für Säuglinge, Kinder und Jugendliche aufgenommen. Daher sollte nach Exposition unbedingt der Immunschutz überprüft werden und entsprechend gehandelt werden (s. nachfolgende Tabelle).

Vorgehen nach potentieller HBV-Exposition:
StatusWannWie
Erfolgreiche Grundimmunisierung
(3 Impfungen mit anschließendem Anti-HBs-Titer > 100 lU/l
Letzte Impfung < 10 Jahre zurückliegendkeine Maßnahmen erforderlich
Anti-HBs-Titer > 100 lU/lInnerhalb der letzten 36 Monate gemessenkeine Maßnahmen erforderlich
Zwischen 3 und 10 Jahren gemessenKontrolle Anti-HBs
Anti-HBs-Titer 10 - 100 lU/l1 Dosis Hepatitis B - Aktivimpfstoff
Keine Impfung, Non-Responder oder aktueller Anti-HBs-Titer < 10 lU/lHBV-Hyperimmunglobulin und komplette Wiederholung der HBV-Impfung; ggf. höher dosierter Impfstoff oder anderes Impfschema
Unklarer Impfstatus oder letzte Impfung > 10 Jahre zurückliegend, Low-Responder (Anti-HBs nach GI < 100 lU/l)Umgehende Anit-HBs-Titerkontrolle (Procedere ja nach Titerhöhe siehe Tabelle unten)
 
Unklarer Impfstatus, Low-Responder oder Impfung > 10 Jahre zurückliegend:
Aktueller Anti-HBs-TiterHB-Impfstoff (aktiv)HB-Immunglobulin
> 100 lU/lNeinNein
> 10 < 100 lU/lJaNein
< 10 lU/lJa, sofortige Booster-Impfung

Ja bei Low-Respondern
Nein bei ursprünglich erfolgreich Geimpften

Nicht innerhalb von 48h zu bestimmenJa, sofortige Booster-Impfung

Ja bei Low-Respondern
Nein bei ursprünglich erfolgreich Geimpften

 

Die postexpositionelle, passive Immunprophylaxe mit HB-Immunglobulin sollte - wenn indiziert - möglichst sofort, spätestens innerhalb von 48 Stunden nach einer Exposition erfolgen, z. B. bei Nadelstichen oder Verletzung mit evtl. kontaminierten Gegenständen, Blutkontakt der Schleimhäute (Auge, Verschlucken von Blut), bei Blutkontakt einer verletzten Haut (Beißen, Kratzen, Ekzem), nach Schnittverletzung, nach Sexualkontakt oder bei einer vermuteten vertikalen Transmission.

Neugeborene HBsAg-positiver Mütter sollten innerhalb von 12 Stunden nach Geburt aktiv-passiv (aktive Impfung plus Hepatitis-B-Immunglobulin) immunisiert werden.

Verwendet wird ein zugelassenes Hepatitis-B-Immunglobulin (z.B. Hepatitis-B-Immunglobulin Behring® 0,06 ml/kg KG (maximal 5 ml) i.m. oder Hepatect® CP 0,16-0,2 ml/kg bzw. 8-10 IU/kg KG (Neugeborene 20-50 IU/kg KG) i.v. Gleichzeitig sollte aktiv geimpft werden.

(Quelle: RKI, Epidem. Bull. Nr. 4, 2023; *AWMF Leitlinie „Diagnostik und Therapie der HBV Infektion“ 2023; Wichtiger Hinweis: Angabe der Dosierung nach bestem Wissen. Jedoch können Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden. Keine Gewähr bzw. Anspruch auf Vollständigkeit.) Homepage RKI, Nadelstich und HBV, Verfasser Dr. med. U. Strahle und Dr. med. K. Borchert

2. Hepatitis C – Virus (HCV)

Das Risiko einer Übertragung bei einer Nadelstichverletzung mit einer Hohlnadel, die mit HCV-positivem Blut kontaminiert ist, wird auf 0,4 – 1 % geschätzt. Nach Verletzung mit einer möglicherweise HCV-kontaminierten Nadel besteht keine Indikation für eine Postexpositionsprophylaxe, da es selbst nach Infektion zu einer signifikanten Rate an Spontanheilungen kommt. Zudem etabliert das Virus (anders als HBV oder HIV) keine Persistenzform und eine Infektion kann mit sehr gut wirksamen und verträglichen, antiviralen Medikamenten ausgeheilt werden. Diese sind nur für eine Therapie, nicht für eine Postexpositionsprophylaxe zugelassen.

Nach (möglicher) Exposition mit HCV-kontaminiertem Blut sollten bei dem/der Betroffenen Anti-HCV-Antikörper und die ALT-Aktivität im Serum bestimmt werden, sowie beim Indexfall Anti-HCV und (bei positivem Anti-HCV oder V.a. frische Infektion) HCV-RNA. Es besteht aber keine Indikation für eine Notfall-Diagnostik, die Untersuchungen können am folgenden Arbeitstag durchgeführt werden.

Bei Anti-HCV positiven Indexpatienten ist eine HCV-RNA-Quantifizierung anzustreben, um das Übertragungsrisiko einschätzen zu können. Beim Exponierten sollte nach 2-4 Wochen und nach 6-8 Wochen eine Bestimmung der HCV-RNA erfolgen, da nach einer frischen Infektion oft keine Anti-HCV-Antikörper nachweisbar sind. Nach 12 und 24 Wochen wird eine Bestimmung von Anti-HCV und ALT-Aktivität empfohlen, wobei sich bei pathologischen Werten eine Wiederholung der HCV-RNA-Bestimmung anschließen sollte. Bei positiver HCV-RNA sollte eine Entscheidung zur Therapie mit direkt antiviral wirksamen Medikamenten 8-12 Wochen nach dem Nadelstich bzw. der Risikoexposition gefällt werden.

(Quelle: S3-Leitlinie „Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis-C-Virus (HCV)-Infektion“ AWMF-Register-Nr.: 021/012) 

3. Humanes Immundefizienz – Virus (HIV)

Vor Einleitung einer HIV-Postexpositionsprophylaxe sollte eine Risikoabschätzung bzw. eine Abwägung des Nutzens und der Risiken durchgeführt werden. Bei unbekanntem HIV-Serostatus, bzw. wenn die klinische Diagnose einer HIV-Infektion nicht sehr wahrscheinlich ist, sollten die Empfehlungen zurückhaltend gehandhabt werden.

Die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Übertragung hängt vor allem von der übertragenen Erregermenge ab. Die statistische Wahrscheinlichkeit beträgt in den am häufigsten vorkommenden Situationen (Verletzung an kontaminierten Instrumenten, ungeschützter  Geschlechtsverkehr) zwischen 1:100 und 1:1000. Nur die Übertragung von der Mutter auf das Neugeborene ohne Prophylaxe ist mit etwa 20-25% deutlich häufiger. Übertragungen sind vor allem durch Blut, Sperma und Vaginalsekret möglich, wobei die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung umso höher wird, je länger sich das infektiöse Material auf Wunden oder Schleimhäuten befindet. In anderen Körperflüssigkeiten ist HIV in deutlich niedrigeren Konzentrationen vorhanden, sodass Übertragungen zwar theoretisch denkbar, bisher aber nicht beschrieben sind. Akzidentelle, berufsbedingte HIV-Übertragungen sind bisher nur durch Kontakt mit Blut oder Viruskonzentrat (Zellkultur) dokumentiert. 

Eine - bei bestehender Indikation - so rasch wie möglich (d.h. innerhalb weniger Stunden) eingeleitete PEP kann das Infektionsrisiko senken. Liegen bereits mehr als 72 Stunden zwischen der Exposition und dem möglichen Prophxlaxebeginn, so kann nach derzeitigem Kenntnisstand eine Prophylaxe nicht mehr empfohlen werden. Die prophylaktische Behandlung wird in der Regel über 28 Tage durchgeführt, sollte nach negativer Testung der Indexperson aber sofort abgesetzt werden. Die Indexperson darf nur mit deren Einverständnis getestet werden! Ist die Indexperson bekannt positiv, unter erfolgreicher antiretroviraler Therapie sollten als PEP die gleichen Medikamente gegeben werden.

Eine medikamentöse Postexpositionsprophylaxe sollte möglichst rasch eingenommen werden. Wenden Sie sich dazu bitte an den diensthabenden Infektiologen unter -2455, außerhalb der Dienstzeiten an die Medizinische Nothilfe unter -5222. Die Medikamente für die PEP sind an folgenden Stellen gelagert: Cito-Schrank, medizinische Notaufnahme.

Wann soll eine HIV-Postexpositionsprophylaxe in Erwägung gezogen werden?

  • Verletzung mit HIV-kontaminierten Instrumenten bzw. Injektionsbestecken
  • Benetzung offener Wunden und Schleimhäute mit HIV-kontaminierten Flüssigkeiten
  • Ungeschützter Geschlechtsverkehr mit einer (wahrscheinlich) HIV-infizierten Person
  • Transfusion von HIV-kontaminiertem Blut oder Blutprodukten
  • Gebrauch von HIV-kontaminiertem Injektionsbesteck

 

Berufliche Exposition

Quelle: Deutsch-Österreichische Leitlinie zur medikamentösen Postexpositionsprophylaxe (PEP) nach HIV-Exposition (2022) https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/055-004 ; *AWMF Leitlinien: Diagnostik und Therapie der HBV Infektion 2011; Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der HCV Infektion 2009.